Mittwoch, 21. Dezember 2011

Entdecke die Möglichkeiten!


Ich muss mal kurz zwischendurch schreiben. Wir sind noch auf dem Schiff, Herr H. ist schon zur Arbeit. Wir liegen noch kuschelnd im Bett.

Ich hatte gestern mein erstes richtiges Muttigespräch! *giggl* Ich wehre mich wohl immernoch dagegen so muttihaft zu werden und deswegen war ich nie sonderlich scharf auf Gespräche mit "anderen jungen Muttis, um mich auszutauschen", wie einem das bei jedem blöden Geburtsvorbereitungskurs, von jedem Bekannten und Arzt strahlend als Lösung aller Probleme und als selbstverständliches Must have angepriesen wird. Ich konnte auch vorher nicht so besonders mit Mädels, da musste schon die Richtige kommen. Wenn es Freunde sind, die Kinder bekommen - okay. Aber warum zur Hölle soll ich mich mit jemand Wildfremdem "anfreunden", nur weil er auch gerade geworfen hat? Das leuchtet mir immernoch nicht ein.

Jedenfalls sassen wir gestern 6 Stunden in diversen Zügen und Herr H. junior wurde irgendwann zwischen Berlin und Hamburg recht quengelig. Er hat jetzt eine neue, lautere Art zu schreien entwickelt, gegen die nicht einmal der Schnuller ankommt. Auf dem Gang, wippenderweise, traf ich erst einen dreifachen Vater, der einige verständnisvolle und mitleidige Worte fand. Und dann - wisst ihr, dass es in ICEs "Mutter-Kind-Verschläge" gibt? Ich weiss es seit gestern. Und ich nenne es nicht Familien- oder sonst irgendwie, denn es sitzen tatsächlich nur Mütter mit Kindern drin. Wo sind denn die Väter ständig? Das macht mich irre. In diese Verschläge jedenfalls pferchen sie Mütter mit Kleinkindern. Offiziell um den besonderen Bedürfnissen dieser Reisenden gerecht zu werden. Insgeheim aber, seien wir mal ehrlich, nur um die anderen Fahrgäste vor den quäkenden Nervtötern zu bewahren. Gibt es dann demnächst auch geschlossene Räumlichkeiten für grölende Fussballfans und angetrunkene Diskoheimkehrer? Ich wäre dafür, denn das sind diejenigen, die mir im Zug am meisten auf den Sack gehen

Jedenfalls traf ich auf dem Gang eine ebenfalls wippende "junge Mutti" mit Noah Kalle auf dem Arm, der ebenso wie Linus Michael todmüde, aber nicht einschlafwillig war. Noah Kalle hatte fast den gleichen Geburtstag wie mein kleiner Mann, war aber schon ein Jahr älter. Das Mädel jedenfalls war mir recht sympathisch und wir unterhielten uns die ganze Strecke bis Hamburg. In meiner Umgebung mag ich ja mit meiner Art mein Kind zu behandeln erschreckend alternativ sein, aber in Berlin scheinen nur Alternative in Biosandalen und Second-Hand-Pullis zu wohnen. So unterhielten wir uns über die Inakzeptanz der Bevölkerung gegenüber Tragetüchern, Baumwollwindeln und der Familienbett-Idee. Was ich mich schon von wildfremden Frauen im Bus hab anquatschen lassen müssen... Weil dieses Tragen ja den Rücken kaputt mache, also seinen UND meinen, aber wenn man anfangen will zu erklären, hören die ja schon gar nicht mehr zu. Die wollen einfach nur ihren ungewollten Senf dazugeben und Recht haben. Du hast ja eh keine Ahnung, ist ja dein erstes Kind. Diese Dame letzte Woche wurde zeitlebens von Rückenschmerzen geplagt, aber davor hat sie ihr Kinderwagen interessanterweise auch nicht bewahrt. Dabei ist das Tuch eigentlich gut für den Rücken, also seinen UND meinen, weil man durch das aufrechte Gehen und die gleichmässige Gewichtsverteilung den Rücken richtig belastet und dadurch Muskeln aufbaut, die die Wirbel entlasten und damit Rückenschmerzen vorbeugt, ... aber das zu erklären ist ja vergebliche Liebesmüh.

Mittlerweile sind wir übrigens im Göteborger Hafen eingelaufen, aber es dauert noch 2 Stunden, bis wir von Bord gehen.

Es war jedenfalls recht interessant sich mit ihr zu unterhalten. Wir sprachen auch über die Väter und ob es wirklich hormonell bedingt ist, dass sie sich in dieses ganze Kinderuniversum scheinbar schwerer einfinden können, oder ob das nur eine willkommene Ausrede ist. Wir haben zu Hause gerade eine ziemlich hitzige Diskussion hinter uns, wie man das regelt mit dem Kontakt zum Kind, wenn der Vater da ist. Meiner Meinung nach beschäftigt er sich nicht genug mit dem Kleinen, er macht es sich zu einfach, weil er's eben kann und nicht so gezwungen wird wie ich. Ich bekomm manchmal bis nachmittags nichts zu essen, weil es einfach nicht geht und man lernt damit fertig zu werden. Er drückt ihn mir einfach in die Hand, wenn er Hunger hat, weil er die Möglichkeit dazu hat. Und ich finde das immer ein bisschen ungerecht. Und sicherlich hat er wichtige Sachen zu tun, auch wenn er zu Hause ist, aber irgendwie muss er meiner Meinung nach lernen, dass er das abends machen muss, wenn der Kleine im Bett ist. Anders geht es bei mir ja auch nicht. Ich bin so froh, dass ich endlich alle Anträge für Kindergeld, Elterngeld etc pp abgeschickt habe. Das war mal wieder kurz vor knapp, aber nach einem Tag voller Geschrei hab ich mich zu oft ausserstande gefühlt mich abends dann auch noch mit diesem Scheiss rumzuärgern. Am Montag wollte ich einen Hermes-Paketschein drucken und mir fiel 5 Minuten lang partout nicht ein in welcher gottverdammten Strasse ich wohne... Soviel zu postnataler Intelligenz.
Jedenfalls ist es denke ich gerade jetzt wichtig sich viel mit dem Kleinen zu beschäftigen. Eben weil er nicht so oft da ist. Ich möchte nicht, dass sein Sohn irgendwann mal anfängt zu schreien, wenn Herr H. ihn auf den Arm nimmt, weil er den seltsamen fremden Mann noch nie gesehen hat. Das wird wahrscheinlich so schon passieren und das wird schrecklich genug werden.

Ich hatte letztens übrigens auch so eine seltsame Unterhaltung an einer Ladenkasse. Eine Kundin unterhielt sich mit der Kassiererin und währenddessen kassierte sie mich ab. Die Gurke hatte ich wie immer dick eingepackt in Tuch und diverse meiner Jacken. Auf den ersten Blick sah ich wohl noch schwanger aus, aber dann realisierten sie, dass der Kleine ja "schon da" sei. "Frisch geschlüpft." Ich habe was gegen diesen Ausdruck. Das klingt viel zu friedlich und dem Gemetzel der Geburt absolut nicht angemessen. Als würde man morgens aufwachen und - welch Überraschung! - das Kind lächelnd, frisch gebadet und angezogen neben einem liegen. Nee, schlüpfen kann man das nicht nennen. Und auch die Kundin, zweifache Mutter, musste eingestehen, dass das zweite Kind ein Unfall 6 Jahre nach dem ersten war, drauf angelegt hätte sie's nicht, denn diesen Geburtshorror vergesse man nicht. Ich frag mich eh was ich da falsch gemacht habe. Alle, mit denen ich so gesprochen habe, haben das innerhalb weniger Stunden über die Bühne gebracht. Ich war die Einzige, die sich trotz komplett offenem Muttermund noch 4,5 Stunden rumgequält hat.
Die Kassiererin jedenfalls gab zu, dass sie das mit dem Kinderkriegen seit geraumer Zeit erfolgreich vor sich her schiebe. "Ich möchte mir meinen Körper noch nicht versauen." Recht hat sie. Ich hab jetzt schon auf Wiedersehen gesagt zu meinen Brüsten. Die waren vorher schon nicht der Hit und nicht besonders voluminös, aber mittlerweile sind sie nur noch eine traurige Erinnerung an sich selbst, wie nasse Wischlappen, und mir graut vor dem Anblick, wenn ich dann abgestillt habe. Ausserdem scheine ich nun NACH der Schwangerschaft zuzunehmen. Wie nett. Antilineares Wachstum ist äusserst dämlich.

So, bald ist es Zeit die Sachen zu packen, der Post hat ja ne Ewigkeit gedauert.

Und danke an Enigma Eden für ihre lieben Worte über meinen Blog und für den Blog Award! :) Darum werde ich mich kümmern, wenn ich wieder zu Hause bin. Aber dieser Post hier konnte einfach keine Woche warten.

Das Buch, das ich übrigens gerade lese (Karen Duve, "Dies ist kein Liebeslied"), ist weder vom Cover noch vom Klappentext her eins, dass ich mir im Buchhandel kaufen würde. Klingt wie ein schrecklich kitschiger, emotionsgeschwängerter Mutti-Liebesroman. Ich habe aber schon zwei Bücher dieser Autorin gelesen und sie schreibt einfach nur sensationell witzig und überhaupt nicht liebesromanmässig. Und auch dieses Buch überzeugt.

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