Ich bin irgendwie gerade an nem Punkt angelangt... So hab ich mir das alles nicht vorgestellt.
Morgen kommt mein Vater und er will möglichst alles packen, damit wir am Samstag sofort das Auto vollladen und losfahren können. Außerdem fährt mein Mann wieder auf Arbeit. Eine ganze Woche liegt vor mir, allein. Ich bin so müde.

Ich war nie dieser Mutti-Typ. Der Blick in fremde Kinderwagen hat mich nie wuschig gemacht, ich fange bei Babyfotos nicht an zu sabbern. Nichtsdestotrotz hatte ich immer gedacht später mal eine Familie haben zu wollen. Dass das nun "so früh" (mit meinen 27 Jahren bin ich für momentane Verhältnisse frühgebärend) schon klappt, auch noch mit dem richtigen Mann, das hätte ich so niemals gedacht. Nun könnte man meinen ich hätte alles, was ich immer wollte. Aber irgendwas versagt da in mir drin.
Es wurde hier in letzter Zeit so oft geschrieben, dass Ehrlichkeit wichtig und erstrebenswert ist. Ich stoße hier an meine Grenzen. Darüber ehrlich zu sprechen, fühlt sich grausam an. Kein Kind sollte das erleben müssen.
Am Anfang der Schwangerschaft hatte ich so meine Startschwierigkeiten. Ich habe gelesen, das sei normal. Irgendwann konnte ich das fremde Leben in mir dann akzeptieren, es hat mir keine Angst mehr gemacht. Ich wusste, dass ich nicht so bin wie andere Frauen. Ich habe mir keine einzige Umstandsklamotte gekauft, ich war nicht bei Schwangerschaftsgesprächsrunden und so weiter. Ich habe es nicht zelebriert. Ich hab die Zeit mit meinem Mann genossen. Und im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich mich eher über seine Freude gefreut hab, als mich selbst zu freuen. Aber auch darüber hab ich mir keine weiteren Gedanken gemacht. Man sagt ja, durch die Geburt wird man von so nem Hormonflash weggespült, dass man diesen Muttigefühlen gar nicht entkommen kann.
Naja. Das ist bei mir leider nicht passiert. Und jetzt sitz ich hier und komm mir vor wie der letzte Freak. Ich ertrag es nicht mehr diese ganze Babyliteratur zu lesen. Irgendwas läuft bei mir verdammt falsch. Ich wollte nach der Geburt meinen Sohn noch nicht mal in den Arm nehmen. Ich hatte einfach nur so die Schnauze voll von allem. Mein Mann neben mir schluchzte, ich war völlig emotionslos und einfach nur froh, dass die ganze Quälerei endlich ein Ende hatte.
Die ersten 2 Tage im Krankenhaus waren so vollgepackt mit Untersuchungen und anderem Kram, dass man kaum zum Luftholen kam. Dann waren wir zu Hause und so etwas wie Ruhe stellte sich ein. Nach und nach wurde mir aber klar, dass irgendwas fehlte. Der Kleine ist süß, ich fütter ihn, ich wickel ihn. Aber dieses Gefühl, dieses... "mein Kind ist das Wichtigste auf der ganzen Welt und ich kann mir ein Leben ohne nicht mehr vorstellen" - das fehlt. Ich hab gedacht es würde sich noch entwickeln in den ersten Tagen. Aber es kommt einfach nicht. Ich bin immer noch nicht wirklich in der Gegenwart angekommen. Das da auf der Couch ist mein Sohn, mein Fleisch und Blut - ich raffs einfach nicht. Ich bin eifersüchtig auf seinen Papa, für ihn ist alles so selbstverständlich. Ich glaube er würde wirklich sterben, wenn er wieder ohne den Kleinen sein müsste.
Mir gehts wegen dieser ganzen Sache ziemlich mies und hier wurde auch schon die Hebamme gegen mich aufgehetzt. Aber sorry, ich falle nicht in die "Babyblues"-Kategorie. Mich packt nicht die Panik, dass ich eventuell keine gute Mutter abgebe. Mich macht es fertig, dass ich, obwohl vollgepumpt mit allerlei nützlichen Hormonen, meinen Sohn nicht in der Weise liebe, wie es anscheinend der Rest der Welt schafft und wie es verdammt noch mal sein sollte.
Morgen Abend bin ich hier wieder alleine und mir graut davor. Ich wache nachts schon auf bevor der Kleine selbst merkt, dass er Hunger hat. Aber bei allem anderen versagt mein Mutterinstinkt völlig. Herr H. meint, dass er mittlerweile schon vorher merkt, wann sich die nächste volle Windel ankündigt. Er weiß, wie er seinen Sohn halten muss, um ihn zu beruhigen. Ich sitze hier nur rum wie ein hilfloser Volltrottel. Die ersten Wochen sind ja dazu da, um mit seinem Baby vertraut zu werden und es rundum und intensiv kennenzulernen. Bei mir wird das anscheinend mehrere Jahre dauern. Dieses ständig gepredigte "Dein Kind liebt dich, weil du seine Mutter bist und lässt sich schon allein durch den Hautkontakt mit dir, deinen Geruch und den Klang deiner Stimme beruhigen" - ach kommt. Mein Sohn kuckt mich noch nicht mal beim Stillen an. Brust raus - das ist die einzige Art und Weise, auf die ich ihn eventuell beruhigen kann. Und wenn das nicht hilft, weiß ich schon nicht mehr weiter.
Wieso war es so viel leichter mich in meine Katze zu verlieben?
Ich hab schon von Haus aus eine Abneigung gegen Krabbelgruppen, Babyschwimmen und Co. Nun graut mir auch noch aus anderen Gründen davor. Ich würde dasitzen wie ein Idiot und jeder würde sehen: "Ah ja, das ist die, die ihr Kind nicht liebt."
In ner besonders dunklen Minute hab ich echt schon erwogen loszuziehen und meinem Mann ne Flasche und Ersatznahrung zu besorgen, nur um die beiden nicht mit meiner Emotionslosigkeit kaputt zu machen. Wie bescheuert ist das denn alles?? Die kleine Gurke riecht gut, zieht süße Schnuten, die Händchen rudern ungeschickt in der Luft herum. Und es ist ja nicht so, als würde mich das nicht berühren und mich nicht zum Lächeln bringen. Aber das reicht doch nicht.
Wie soll man bei so etwas ehrlich sein...