Mittwoch, 3. November 2010

28.9. // Spiegelsee


Okay, eingemacht hatte ich mir in dieser Nacht nicht. Aber ich hab gefroren wie verrückt. Das Thermometer war mir kaputt gegangen, aber verglichen mit der nächsten Nacht (hatte mir dann ein neues gekauft), dürfte das locker Bodenfrost gewesen sein. Ich hatte ALLES an Klamotten an, was ich mithatte, inklusive sämtlicher dreckiger Socken, die Kapuzen aller Oberteile und Jacken über den Kopf gezogen, Mütze und Handschuhe, Hände zwischen den Knien, den Kopf im Schlafsack. Hab mit der Atemluft versucht den Schlafsack aufzuwärmen. Da überlegt man sich wirklich sehr genau, ob man mitten in der Nacht pinkeln geht. Ich hab mich dagegen entschieden. Lieber Schmerz als Kälte.

mein Schlafplatz *brrr*


Bin recht früh aufgestanden, um schnell wieder in den Sattel zu kommen und warm zu werden. Als ich mit eiskalten Fingern meine Sachen zusammenpackte, kam ein Reh aus dem Wald, erschreckte sich wie verrückt und rannte panisch ins Unterholz zurück, was mich wiederum fürchterlich erschreckte. Hach, und Eichhörnchen turnten um mich rum! In meinem nächsten Leben will ich ein Eichhörnchen sein. :) Die sind ja so toll. Der buschige Schwanz genauso lang wie der Körper, und diese weichen, wellenartigen Bewegungen, wenn sie rennen! Hab diese hübschen Tiere noch nie von so Nahem gesehen.


Unten auf der Straße schien die Sonne durch die Bäume. Ich hatte viel vor.
Ich war nur etwa einen Kilometer von Ullared entfernt gewesen, dort hätte ich vielleicht sogar auf dem Zeltplatz schlafen können. Ich hab nicht nachgesehen, ob er offen hatte, diese Frustration wollte ich mir ersparen. Damned.


Ich fuhr viel auf Waldwegen an diesem Tag. Meine erste Frühstückspause verbrachte ich auf einer kleinen Brücke über einem Bach, zwar in der Sonne, aber es war immer noch schweinekalt. Es gab Brötchen ("Polarkraft", ich liebe es ^^ ), Köttbullar, Rote-Bete-Salat (die haben aber auch tollen Kram, diese Schweden *seufz*).

Kurz vor Torup eine Premiere: Övregård, mein erstes Gräberfeld! ^^


Es entstand in der Eisenzeit und ist eines der größten in ganz Halland.

Gegen 13 Uhr hatte ich endlich Torup, den nächstgrößeren Ort mit nem Café, erreicht. Dieser Koffeinkick war göttlich. Zum Kaffeekochen war es an dem Morgen nämlich viel zu kalt gewesen. Hatte ich übrigens schon erwähnt, dass ich seit dem 4. Tag meiner Tour Lähmungserscheinungen in der rechten Hand habe? Ich habe kein Gefühl mehr in den Fingerspitzen von Ring- und kleinem Finger, fühlt sich an wie eingeschlafen. Und auch die Koordination der kompletten Hand haut irgendwie nicht mehr richtig hin. Reißverschluss schließen, Feuerzeug anmachen, Schrauben anziehen, SMS schreiben - das hab ich dann alles mit der linken Hand gemacht. Es ist zwar besser geworden mittlerweile, aber immer noch nicht weg. Nennt sich "Radfahrerlähmung" und kommt durch die Handhaltung am Lenker. Soll angeblich von allein wieder weggehen, aber mittlerweile hab ich das ja schon mehr als nen Monat. Is halt schlecht, wenn man im Handwerk arbeitet. Hm.
Jedenfalls verhinderten Kälte und rechte Hand das Kaffeekochen auf dem Gaskocher. Umso befriedigender war diese Kaffeepause dort. Obwohl es ein Akt war die Tasse kleckerfrei zum Mund zu bekommen.

Die einzigartige Stille im Hallander Inland gab mir viel Zeit zum Nachdenken über meine Gefühlssituation und die 3 Tage im Paradies. Jaja kitschig, ich weiß. Ich hatte ja vorher etwas Angst, dieses ganze Englisch und so. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich viel über Sprache definiere. Über die Art, wie ich rede und was ich sage. Ich hatte Angst, dass das alles in der Übersetzung verloren gehen würde. Aber entgegen meiner Erwartungen habe ich es geschafft das zu übertragen. Nach dem ersten Tag war es völlig okay, dass schon der erste Satz morgens englisch war. Es waren wunderbare dreisprachige Tage.

Ich hatte an diesem Tag mit nem halben Auge auf Knäred geschielt. Draußen schien die Sonne. Oh lovely Sweden, you got me. Also weiter.

Ich kam bei Mästocka durch eine einzigartige, geschützte Heidelandschaft, Heidekraut und Ginster. Nur Minuten später ein wunderschöner See in stiller Nachmittagssonne.


Bis Knäred kam ich nicht. Ich hatte eine wirklich ordentlich Strecke zurück gelegt, in Simlångsdalen noch mal eingekauft, und war in direktem Anflug auf Knäred und den dort befindlichen Zeltplatz. Aber etwa 2km davor kam ich an einem faszinierenden, spiegelglatten See vorbei, der zwischen Bäumen eingebettet lag.


Ich war so überwältigt, dass ich sofort beschloss dort zu bleiben. Ich schlug mich schnell ins Unterholz und baute mein Zelt auf. Bis es dunkel wurde, lief ich um den See herum und machte Fotos. Dann saß ich noch lange am Ufer, kochte Nudeln auf meinem kleinen Kocher und genoss diese unglaubliche Aussicht.
Es war wieder wahnsinnig kalt. Jetzt hatte ich noch 4 Tage für Skåne, durch Halland war ich ja so gut wie durch. Ich überlegte noch ein bisschen Richtung Osten und dann entlang der Küste zurück zu fahren. Jedenfalls brauchte ich für die nächste Nacht wieder nen Zeltplatz, der Handyakku war so gut wie tot.

Tageskilometer: 119
insgesamt: 749

Zeit auf dem Rad: 7:09

Ø 16,6 km/h

1 Kommentar:

  1. Angeblich soll man ja weniger frieren wenn man weniger Klamotten im Schlafsack trägt... ich konnte das nur noch nie überprüfen weil ich mich nie überwinden konnte was *aus*zuziehen wenn ich gefroren habe. :D

    Traumhafte Fotos! Das ist ja fast zu schön um wahr zu sein.

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